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Leiharbeitnehmer: Abzug der Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen?

Kosten für die Fahrten zur Arbeit, das heißt zur "ersten Tätigkeitsstätte", dürfen nur mit der Entfernungspauschale ("Pendlerpauschale") steuerlich geltend gemacht werden, während Fahrten zu Auswärtstätigkeiten nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen sind. Zu Streitigkeiten mit dem Finanzamt kommt es oftmals bei Fahrtkosten von Leih- oder Zeitarbeitnehmern. Diese stehen in einem Arbeitsverhältnis zum Verleiher, fahren aber typischerweise täglich zum Kunden ihres Arbeitsgebers, also dem Entleiher. Steuerlich ist geregelt, dass der Betrieb des Entleihers in bestimmten Fällen zur ersten Tätigkeitsstätte wird und die Fahrtkosten zu dessen Betrieb dann nur mit der Pendlerpauschale abgezogen werden dürfen. Dies ist der Fall, wenn das Zeitarbeitsunternehmen als Arbeitgeber im Arbeitsvertrag festlegt, den Arbeitnehmer im Betrieb des Entleihers unbefristet ("bis auf Weiteres"), für die Dauer des Dienstverhältnisses oder von vornherein länger als 48 Monate zu beschäftigen. Vereinfacht ausgedrückt: Ist von vornherein klar, dass der Leiharbeitnehmer recht lange bei einer einzigen Entleihfirma eingesetzt wird, darf er seine Fahrtkosten nach Ansicht der Finanzverwaltung nur mit der Entfernungspauschale geltend machen.

Doch aufgrund einer bereits in 2017 erfolgten Gesetzesänderung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (§ 1 Abs. 1b AÜG) stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch "lange Einsatzzeiten" bei einer einzigen Entleihfirma geben kann. Nach dieser Vorschrift, die seit dem 1.4.2017 gilt, darf der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nämlich nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen. Und der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen. Das Ganze gilt, soweit nicht in Tarifverträgen eine andere Überlassungshöchstdauer festgelegt ist. Jedenfalls muss der BFH die Frage in mittlerweile zwei Verfahren beantworten, das heißt, er muss klären, ob überhaupt Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte vorliegen konnten (Az. VI R 22/23, Vorinstanz FG München, Urteil vom 21.3.2023, 6 K 1233/20 und VI R 32/24, Vorinstanz FG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2024, 15 K 1490/24 E). 

Dem Düsseldorfer Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war vom 16.8.2021 bei einem Personaldienstleister tätig, der ihn sofort an einen anderen Betrieb entliehen hat. Die Dauer des Einsatzes war nicht festgelegt ("Ende offen"). Letztlich wurde der Kläger - mit einer kurzen Unterbrechung - von Mitte August 2021 bis Ende 2023 bei dem Entleiher eingesetzt. Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrtkosten des Klägers nur mit der Entfernungspauschale. Der Sitz des Entleihers sei die erste Tätigkeitsstätte des Klägers, weil er dort dauerhaft und somit unbefristet zugeordnet gewesen sei. Das ergebe sich aus der Formulierung in der Einsatzanweisung mit "Ende offen“. Der Kläger hingegen wollte die Fahrtkosten als Reisekosten abziehen. Die betriebliche Einrichtung des Entleihers stelle nicht die erste Tätigkeitsstätte dar. Ungeachtet seiner Zuordnung dorthin fehle es an deren Dauerhaftigkeit i. S. von § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG. Denn die Überlassungsdauer sei nach § 1 Abs. 1b AÜG in der ab 1.4.2017 geltenden Fassung auf höchstens 18 Monate begrenzt; vorherige Überlassungen an denselben Entleiher seien nur dann einzubeziehen, wenn nicht zwischen den Einsätzen mehr als drei Monate lägen. Zwar könne ein Tarifvertrag eine abweichende Überlassungshöchstdauer regeln; das sei bei den hier einschlägigen Tarifverträgen jedoch nicht der Fall. Die Richter des FG Düsseldorf sind der Auffassung des Klägers gefolgt.

Das FG München hingegen hatte zugunsten der Finanzverwaltung entschieden. Es gab allerdings einen gewichtigen Unterschied zum Fall des FG Düsseldorf: Der Arbeitsvertrag mit dem Leiharbeitnehmer war bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung durch das AÜG geschlossen worden. In dem Düsseldorfer Fall hingegen galt die Begrenzung der Überlassungsdauer auf 18 Monate schon, als das Leiharbeitsverhältnis begann.

DSG-Hinweis 
Unabhängig vom Ausgang der aktuellen Verfahren gilt, dass bei nur befristeten Einsätzen im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses keine dauerhafte Zuordnung zur Entleiherfirma und damit dort keine "erste Tätigkeitsstätte" besteht (BFH-Urteil vom 12.5.2022,VI R 32/20). Folglich können die Fahrtkosten mit 30 Cent je gefahrenen Km abgesetzt und gegebenenfalls Mehraufwendungen für Verpflegung geltend gemacht werden.