Kosten eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind seit 2013 nur noch dann als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Der Bundesfinanzhof hat bereits entschieden, dass unter Existenzgrundlage nur die "materielle" Lebengrundlage zu verstehen ist, das heißt, Kosten für Rechtsstreitigkeiten um "immaterielle" Lebensbereiche sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar (BFH-Urteil vom 13.08.2020, VI R 27/18; BFH-Urteil vom 13.08.2020, VI R 15/18). Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt hat sich in einem aktuellen Urteil dieser Sichtweise angeschlossen: Prozesskosten anlässlich eines Rechtsstreits mit dem Jugendamt ums Kindeswohl stellen keine außergewöhnlichen Belastungen dar und können steuerlich folglich nicht abgezogen werden (FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.02.2023, 5 K 547/21).
Der Sachverhalt: Die Klägerin war für ihren Sohn allein sorgeberechtigt. Ihr Sohn wandte sich im Frühjahr 2018 an das Jugendamt in der Absicht, eine eigene Wohnung beziehen zu wollen. Offenbar eskalierte der Streit, so dass die Klägerin sogar Strafanzeige gegen Mitarbeiter des Jugendamts erstattete. In ihrer Einkommensteuererklärung 2018 machte die Klägerin ihr anlässlich dieser Umstände entstandene Kosten als außergewöhnliche Belastungen geltend. Dabei handelte es sich unter anderem um Anwalts- und Gerichtskosten. Ihre Begründung lautete: Prozesskosten zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung sowie des damit verbundenen Strafverfahrens berührten den Kernbereich des menschlichen Lebens und seien deshalb zur Wahrung der (immateriellen) Existenzgrundlage erforderlich.
Finanzamt und Finanzgericht lehnten einen Abzug der Kosten jedoch ab. Der BFH habe bereits entschieden, dass unter dem Begriff der Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nur die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen ist und daher zum Beispiel auch Prozesskosten anlässlich eines Umgangsrechtsstreits vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen sind. Das Gericht sieht sich hieran gebunden.
Hinweis: In einem älteren Urteil hatte der BFH zwar Kosten im Zusammenhang mit einem Sorgerechtsstreit als außergewöhnliche Belastungen angesehen, doch die Entscheidung ist überholt, denn sie betraf die Rechtslage bis 2012 (BFH-Urteil vom 04.12.2001, III R 31/00). Seit 2013 gilt die eingangs erwähnte Einschränkung, dass ein Abzug nur bei Gefährdung der Existenzgrundlage zulässig ist.